Vortrag: "Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, Ökonomie und Ökologie am 23.01.20

Vortrag von Lorenz von Schintling-Horny, Liebenburg, am Do 23.01.2020

Kreuze auf den Äckern, "Wir haben es satt" – Proteste in Berlin, Treckerkolonnen auf den Straßen - dass angesichts der Aktualität des Themas die Räumlichkeiten in der Lewer Däle für einen Vortrag über Landwirtschaft nicht ausreichen würden, hatten die Veranstalter der Lewer Däle schon geahnt. Und so stellte die Ev. Kirchengemeinde kurzfristig ihren Gemeindesaal zur Verfügung, um allen Platz zu bieten. Und so erlebten fast 70 Interessierten – viele davon selbst Landwirte aus der Region – eine lebensnahe, mit konkreten Beispielen und humorvollen Einlagen gespickte Charmeoffensive für die Landwirtschaft.  
 
Nach einer kurzen persönlichen Vorstellung (schon der zwölfjährige Bub wollte Bauer werden und  die Familientradition auf dem väterlichen Betrieb auf der Domäne Liebenburg fortführen) ging Lorenz von Schintling-Horny auf den Wandel  in der Landwirtschaft seit Beginn des Ackerbaues in Europa vor zwölftausend Jahren ein. Dabei wurde deutlich, zu welch unglaublichen Veränderungen vor allem in den letzten hundert Jahren die Mechanisierung und die Entwicklung des Pflanzenschutzes geführt haben.
 
Sein Fazit: Obwohl  der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten in Deutschland von 38% der erwerbstätigen Bevökerung um 1900 auf heute 2% zurückging,  ist.Landwirtschaft enorm produktiv geworden, hat sich spezialisiert und gewährleistet die Versorgungssicherheit in Deutschland. Und das bei seit 50 Jahren stabilen Preisen und mit Produkten, die – gemessen am internationalen Standard -   gesundheitlich unbedenklich sind und nachhaltig produziert werden. Auch den Einsatz von Glyphosat, vorausgesetzt er wird richtig gehandhabt, sah er durchaus positiv.
 
Doch natürlich, so Schintling-Horny,  muss sich Landwirtschaft mit ethischen Fragen auseinandersetzen: Wie muss die richtige Haltungsform von Tieren aussehen? Welche Konsequenzen hat der Einsatz von Antibiotika im Tierfutter für den Menschen, welche der heutige Fleischkonsum? Wie kann eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden?.   
 
Und da gibt es, wie er ausführte, eine riesige Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Verbraucher und dem tatsächlichen Kaufverhalten. Hier die Forderung, die Produktionsmethoden entsprechend  umzustellen, dort die Kunden, die  mehrheitlich nicht bereit sind, die dafür anfallenden Mehrkosten zu zahlen. Wer denkt darüber nach, welche sozialen und ökologischen Folgen z.B. günstig erzeugte Bananen für die Menschen in Lateinamerika haben? Hauptsache billig!
 
Bei uns  soll die Natur geschützt werden, aber gleichzeitig verlange man Platz für wachsende Mobilität, neue Straßen, Wohn- und Geschäftsgebiete. Da ist der Hunger in der Welt, aber durch Exporte in arme Länder zerstören wir deren lokale Märkte.  Und dazwischen die Landwirtschaft, die versucht, möglichst vielen Ansprüchen gerecht zu werden und dabei auch noch einträglich zu wirtschaften. .  
 
Was tun angesichts all dieser Erwartungen?  
 
Wo, so  fragte der Referent ins Publikum, bleibt der gut informierte Bürger, der bewusst einkauft und selbst kocht, anstatt zu billigen Fertiggerichten mit schlechter Qualität zu greifen? Der mit den Bauern ins Gespräch kommt, anstatt sie anzuklagen? Eine ehrliche gesellschaftliche Debatte darüber, was uns Landwirtschaft wert ist – so die Forderung. Und dieser Vortrag sollte dazu einen Anstoß geben.
 
Schintling-Horny  für seinen Teil versucht im Kleinen, ganz konkret auf seinem konventionell wirtschaftenden Hof,  seinen Äckern  und Wäldern den unterschiedlichen Erwartungen gerecht zu werden. Immerhin bewirtschftet er 875 ha Land mit 3 Mitarbeitern. Und zählte auf:
 
- Auf dem Hof sind 140 Schwalbennester erhalten worden. - Hecken, Gehölze, Feldrandstreifen, Blühstreifen, Bienenweiden sind neu entstanden. - Statt der früheren engen Fruchtfolge gibt es jetzt sieben unterschiedliche Fruchtfolgen. Das bedeutet weniger Einsatz von Pflanzenschutz und eine größere Artenvielfalt. - Nach der Ernte werden die Stoppeln für Vögel und Insekten länger liegen gelassen, schwache Unkräuter werden eher toleriert als früher. - Als  einer von nur 180 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland hat der Hof eine Nachhaltigkeitszertifizierung durchlaufen, außerdem gehört er zu nur 35 privaten Forstbetrieben in Deutschland, die nach hohem FSC-Standard wirtschaften. - Gedüngt wird nur so viel, wie es die Pflanzen brauchen, gespritzt nur bei akuter Bedrohung. - Die Weiterverarbeitung der erzeugten Produkte erfolgt überwiegend in der Region. - Ziel ist es, dass die Hofstelle  auch noch in 50 Jahren Landwirtschaft betreibt; daher ist der Betrieb entsprechend saniert und aufgestellt. - Und wenn es sich lohne, würde er auch Bio-Bauer werden.
 
Angesichts all dieser bereits eingeleiteten Maßnahmen gab es kaum kritische Nachfragen, sondern viel lobende Zustimmung im Publikum.
 
 
Liebenburg, 25.1.2020 Ursula Henk-Riethmüller

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